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Thema: Tax
Autor: Roland Böhi , Lukas Scherer , Manuel Vogler
Lesezeit: 3 Min
14.07.2021

Schweiz: Anpassung der Berechnung des Kapitalisierungssatzes zur Ermittlung des Ertragswerts per 1.1.2021

Per 1. Januar 2021 wurde in der Schweiz die Berechnung des Kapitalisierungssatzes zur Ermittlung des Ertragswerts angepasst. Welche Auswirkungen hat diese Anpassung auf die schweizerische Steuerlandschaft?"

Anpassung des Kapitalisierungssatzes und Präzisierung bei Startups

Vor dem Hintergrund des tiefen Zinsniveaus sowie der breit geäusserten Kritik an der sogenannten Praktikermethode als Bewertungsmethode zur Festlegung des Verkehrswerts von Beteiligungen an nicht kotierten Gesellschaften, hat die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) im November 2020 eine Anpassung des SSK Kreisschreibens Nr. 28 vom 28. August 2008 (SSK-KS 28) vorgenommen. Die Aktualisierung betrifft die Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes zur Ermittlung des Ertragswerts sowie eine Präzisierung zur Praxis hinsichtlich der Bewertung von Startups. Welchen Einfluss haben diese bereits per 1.1.2021 in Kraft getretenen Anpassungen in der Praxis?

Anpassung Berechnung des Kapitalisierungssatzes

Allgemein

Im Rahmen der Vermögenssteuer bezweckt das SSK-KS 28 eine einheitliche Bewertung von Beteiligungen, die ausserbörslich gehandelt werden. Vorbehalten anderer Regelungen, erfolgt die Bewertung der sogenannten Praktikermethode, wonach der Verkehrswert einer Beteiligung (U) aus dem Durchschnitt des zweifach gewichteten Ertragswert (E) und des einfach gewichteten Substanzwerts (S) ermittelt wird (U=2xE+S/3). Der Ertragswert entspricht dabei dem durchschnittlichen Reingewinn der massgebenden Geschäftsjahre, der mit dem massgebenden Zinssatz zu kapitalisieren ist. Bisher setzte sich dieser Kapitalisierungszinssatz aus dem Zinssatz von risikolosen Anlagen und einer festen Risikoprämie zusammen und belief sich im Normalfall auf 7%.

Gestützt auf ein Gutachten der Universität Zürich hat die SSK neu festgelegt, dass für den risikolosen Zinssatz auf jenen Zinssatz abgestellt wird, zu welchem Anteilsinhaber Geld anlegen oder Kredite aufnehmen könnten. Die jährlich ermittelte Risikoprämie leitet sich neu aus der Risikoprämie von kotierten Unternehmen ab, unter Berücksichtigung des spezifischen Risikos von nicht kotierten Unternehmen sowie der Illiquidität. Grosso modo führt dies zu einer Erhöhung des Kapitalisierungssatzes von bisher 7% auf ca. 8.8 – 9.3%.

Beteiligung im Privatvermögen (Keine Mitarbeiterbeteiligung)

Aufgrund des höher ausfallenden Kapitalisierungssatzes seit 1.1.2021, werden die Ertragswerte zwangsläufig tiefer ausfallen, was sodann zu einem tieferen Verkehrswert der ausserbörslich gehandelten Beteiligungen führt. Diese Entwicklung ist begrüssenswert, zumal für Zwecke der Vermögenssteuer ein tieferer Verkehrswert resultiert und der Verkehrswert dem bestehenden Zinsumfeld angepasst wurde.

Im Privatvermögen gehaltene Mitarbeiterbeteiligungen

Geldwerte Vorteile aus Mitarbeiterbeteiligungen unterliegen den Einkommenssteuern (Art. 17 Abs. 1 DBG bzw. Art. 7 Abs. 1 StHG). Als geldwerter Vorteil gilt die positive Differenz zwischen Verkehrswert und tatsächlichem Ausgabepreis. Bei nicht börsenkotierten Mitarbeiterbeteiligungen wird der massgebliche Verkehrswert anhand einer Formel ermittelt, weshalb vom Formelwert gesprochen wird: Dieser Formelwert wird oft anhand der Praktikermethode nach Massgabe des SSK-KS 28 hergeleitet. Ab 1.1.2021 gilt für die Praktikermethode neu der angepasste Kapitalisierungssatz gemäss SSK-KS 28.

Bei Veräusserungen von Mitarbeiteraktien unterliegt ein allfälliger Übergewinn als geldwerter Vorteil den Einkommenssteuern. Dieser Übergewinn bezieht sich auf die Differenz zwischen dem Wert der Mitarbeiterbeteiligung im Veräusserungszeitpunkt gestützt auf die gleiche Formel wie zum Erwerbszeitpunkt und dem tatsächlichen Veräusserungspreis. Der Übergewinn kann dabei zufolge einer veränderten Bewertungsmethodik oder eines Wechsels vom Formel- zum Verkehrswertprinzip zustande kommen. Erfolgt die Veräusserung nach 5-jähriger Halterdauer, unterliegt der Übergewinn i.d.R. nicht mehr der Einkommenssteuer.

Anwendbarer Kapitalisierungssatz auf bestehende Mitarbeiterpläne?

Der Effekt der Erhöhung des Kapitalisierungssatzes ist ein tieferer Formelwert. Was für Vermögenssteuerzwecke positiv ist (nicht börsenkotierte Mitarbeiterbeteiligungen unterliegen zum Formelwert der Vermögenssteuer), ist aus Sicht der Einkommenssteuern ein zweischneidiges Schwert: Wurde in bestehenden Mitarbeiterplänen die Praktikermethode als massgebliche Formel angewendet, wird der Formelwert deshalb ab 1.1.2021 im Vergleich zum Formelwert im Zuteilungszeitpunkt tiefer liegen. Im Ergebnis führt dies zwangsläufig zu einer Erhöhung des steuerbaren Übergewinns und wirkt sich zu Ungunsten der Steuerpflichtigen aus. Für bereits vor dem 1.1.2021 ausgegebene Mitarbeiteraktien stellt sich deshalb die Frage, welcher Kapitalisierungssatz für deren künftige Veräusserungen innerhalb der fünfjährigen Haltedauer gilt.

Für die Anwendung des neuen Kapitalisierungssatzes im Veräusserungszeitpunkt spricht, dass eine neue Praxis nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sofort und dem Gesetzmässigkeitsprinzip in allen hängigen Verfahren anzuwenden ist. Dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit darf indes nicht unbesehen der Vorrang vor anderen Verfassungsgrundsätzen gewährt werden; wie bspw. dem Vertrauensschutz. Denn je grösser die zeitliche Distanz zwischen der Verwirklichung eines Sachverhalts und dessen Beurteilung durch die Steuerbehörde ist, desto stossender wirkt sich die sofortige Anwendung einer Praxisänderung auf alle noch nicht rechtskräftigen Veranlagungen aus.

Im SSK-KS 28 sieht hinsichtlich der Änderung der Berechnung des Kapitalisierungssatzes keine Übergangsregelung vorgesehen. Weiter ist ins Feld zu führen, dass der Formelwert für nicht börsenkotierte Mitarbeiterbeteiligungen den Verkehrswert nur (aber immerhin) annäherungsweise ermittelt. Gestützt auf das Gutachten der Universität Zürich kam die SSK zum Schluss, dass der angepassten Kapitalisierungssatz von 8.8 – 9.3% der Realität näher ist. Gesamthaft spricht dies eher für eine grundsätzliche Anwendung der neuen Praxis auf alle noch offenen Sachverhalte, für welche die Praktikermethode massgeblich ist, und wird nach unseren Beobachtungen in der Praxis den übrigen Grundsätzen vorangestellt.

Präzisierungen bei Startups

Bei Finanzierungsrunden von Startups hebt sich die Bewertung oft aufgrund von erhofften Wertentwicklungen von Bewertungen nach Massagabe der Praktikermethode ab, weshalb das SSK-KS 28 bereits früher vorsah, dass in begründeten Fällen vom Grundsatz der Vermögensbewertung nach Massgabe des bezahlten Drittpreises abgewichen werden kann. In der neusten Version des SSK-KS 28 wurde nunmehr explizit festgehalten, dass Investorenpreise während des Aufbauphase einer Gesellschaft unberücksichtigt bleiben, da bezüglich Startups hohe Bewertungsunsicherheiten bestehen. Investorenpreise sind daher gemäss SSK-KS 28 nur anwendbar, wenn sie nach Abschluss der Aufbauphase bezahlt werden. Diese Präzisierungen führen zu steuerlich attraktiveren Rahmenbedingungen für Startups sowie zu einer grösseren Rechtssicherheit, was sehr willkommen ist.

Fazit

Die Änderung der Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes zur Ermittlung des Ertragswerts gemäss SSK-KS 28 ist aus Sicht von im Privatvermögen gehaltenen, ausserbörslichen Beteiligungen begrüssenswert, da die Vermögenssteuerbelastung tiefer ausfallen wird. Hingegen ergeben sich bei der Ermittlung der Einkommenssteuerfolgen von im Privatvermögen gehaltenen Mitarbeiterbeteiligungen bei deren Veräusserung innerhalb der fünfjährigen Haltedauer etwaige Unklarheiten; insbesondere welcher Kapitalisierungssatz für massgeblich ist. Gemäss unserem Verständnis wird die neue Praxis (und damit der tiefere Kapitalisierungssatz) im Grundsatz auf alle offenen Sachverhalte und für alle damit einhergehenden Steuerarten gleichermassen angewendet. Bei Unklarheiten empfehlen wir, die zuständige Steuerbehörde zur Klärung anzufragen.