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Thema: Tax
Zeitung: NZZ
Lesezeit: 2 Min
11.03.2022

Umstrukturierungsrecht 2022

Das neue steuerliche Umstrukturierungsrecht ist nur ein Teilerfolg. Mit der längst fälligen Überarbeitung des Kreisschreibens zu Umstrukturierungen hat die Eidgenössische Steuerverwaltung zwar einige neue Regelungen im Sinne der Beratung und Industrie berücksichtigt, aber längst nicht alle Erwartungen erfüllt

Das bisherige Kreisschreiben 5 der Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zum Thema Umstrukturierungen datiert aus dem Jahr 2004. Es wurde damals im Kontext des Erlasses des Bundesgesetzes über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung vom 3. Oktober 2003 verfasst. Seither hat sich die Steuerwelt der Schweiz weiterentwickelt und ist komplexer, vielfältiger und auch internationaler geworden. Der Zahn der Zeit hat spürbar am Kreisschreiben 5 genagt. Wer allerdings eine komplette Erneuerung erwartete, sollte enttäuscht werden. Anstelle eines Rundumschlags wurde es punktuell angepasst. Es gibt nun sinnvolle Ergänzungen wie die teilweise steuerneutrale Umstrukturierung. Hingegen blieben einige Themen trotz seit jeher bestehender Kritik unbehandelt. Dazu gehört leider nach wie vor die Praxis zum Immobilienbetrieb.

Teils steuerneutrale Umstrukturierungen

Obschon das Kreisschreiben der ESTV zu Umstrukturierungen – neu Nr. 5a – inklusive der Anwendungsbeispiele über 150 Seiten umfasst, bezieht es sich bei der Gewinnsteuer für juristische Personen einzig auf Art. 61 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer sowie die analogen Bestimmungen der Kantone für ihre Staats- und Gemeindesteuern. Gesetzlich ist die Übertragung zum massgeblichen Gewinnsteuerwert als eine Grundvoraussetzung für die Steuerneutralität einer gruppeninternen Transaktion normiert. So bleiben die übertragenen stillen Reserven auch nach der Umstrukturierung mit dem übertragenen Vermögenswert verknüpft und dem Fiskus entgeht kein Steuersubstrat. Die Verrechnungssteuer sowie die Stempelabgaben folgen dabei den Anforderungen an die Steuerneutralität, wie sie für die direkte Bundessteuer verlangt werden.

Die Realisation von stillen Reserven führte schon immer zur Besteuerung und schliesst seit jeher eine steuerneutrale Transaktion aus. In welchem Umfang besteuert wird, sollte eigentlich nur vom tatsächlich realisierten Wert abhängen. Eine Besteuerung sämtlicher übertragenen stillen Reserven bis zum Verkehrswert ohne deren tatsächliche Realisierung darf steuersystematisch eigentlich nicht erfolgen. Weil das Gesetz dazu aber schweigt und das bisherige Kreisschreiben 5 sich der Thematik nicht annahm, überrascht es nicht, dass die kantonalen Steuerverwaltungen derartige Sachverhalte unterschiedlich beurteilten.

Erfreulich ist deshalb, dass die ESTV dem Anliegen aus der Beratung und Industrie für eine klare Regelung teilweiser steuerneutraler Umstrukturierungen folgte und im Kreisschreiben 5a festhält, dass nur im Umfang der tatsächlichen Realisierung besteuert wird, während die übrigen stillen Reserven von der Steuerneutralität profitieren. Diese explizite Regelung erlaubt es den Schweizer Unternehmen insbesondere aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Transaktionen und Realisierungen flexibler zu planen. Denkbar ist zum Beispiel die Möglichkeit der Verwendung bestehender Verluste zufolge teilweiser Realisation, die Generierung von Abschreibungspotentialen oder auch das Schonen der Liquidität bei der übernehmenden Gesellschaft.

Immobilienbetrieb bleibt problematisch

Gleichfalls für die konzerninterne Übertragung von Immobilien gilt, dass eine Transaktion zum Gewinnsteuerwert erfolgen muss, um von der Steuerneutralität zu profitieren. So einfach dies tönt, so kompliziert wird die Umsetzung der Praxis der ESTV, wenn ein Unternehmen Immobilien steuerneutral abspalten will. Art. 61 des Bundesgesetzes u?ber die direkte Bundessteuer verlangt für die Spaltung, dass in der übertragenden wie auch der übernehmenden Gesellschaft je ein "Betrieb" verbleibt. Bereits im alten Kreisschreiben 5 knüpfte die ESTV klare Bedingungen an den Immobilienbetrieb. Nebst einem Marktauftritt und einer Vollzeitbeschäftigung sollten die Mieterträge mindestens das 20-fache des marktüblichen Personalaufwands für die Immobilienverwaltung erreichen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung rechnet mit einem Lohn von 100 000 Franken für eine Vollzeitstelle, wodurch im Ergebnis ein Mietertrag von mindestens 2 Millionen Franken erzielt werden muss, um steuerlich als Immobilienbetrieb behandelt zu werden. Selbst wenn im derzeitigen Immobilienmarkt lukrative Renditen erzielt werden können, entsprechen Bruttorenditen von aktuell 5 Prozent eher der Realität. Somit muss ein Unternehmen ein Immobilienportfolio von mindestens 40 Millionen Franken oder höher vorweisen, um den Anforderungen der ESTV gerecht zu werden – die Messlatte liegt für die meisten KMU damit viel zu hoch.

Als Beispiel: Einem mittelgrossen Garagenbetrieb bleibt damit verwehrt, einen Teil der Immobilien steuerneutral zum Gewinnsteuerwert in eine neue Gesellschaft abzugeben, um diese losgelöst vom Garagenbetrieb für einen neuen Geschäftszweck unternehmerisch nutzen zu können. Die Notwendigkeit einer derart hohen Hürde für den Immobilienbetrieb und damit für eine steuerneutrale Spaltung ist nicht plausibel, da die stillen Reserven mit den abgesonderten Immobilien verhaftet bleiben und der Fiskus ohnehin kein Steuersubstrat verliert. Immerhin ist das Kreisschreiben 5a "lediglich" eine Verwaltungsanweisung und das Gesetz lässt genügend Spielraum für eine zweckmässigere Praxis.