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Thema: Corporate & M&A
27.02.2023

Schweiz führt ein Investitionsprüfungsgesetz ein

Die Schweiz geniesst international hohes Ansehen als Standort für erfolgreiche Unternehmen in der Forschung, Entwicklung und Technik. Hunderttausende KMUs und Konzerne führen regelmässig dazu, dass die Schweiz den Global Innovation Index als innovativstes Land der Welt anführt (Global Innovation Index der WIPO). Dieser Erfolg zieht ausländische Investoren an - die Direktinvestitionen in der Schweiz belaufen sich derzeit auf rund CHF 1,216 Milliarden (Stand 2020). Die Legislative will diese Direktinvestitionen nun regulieren.

Im März 2020 nahm das Parlament die Motion Rieder zum "Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen" an und beauftragte den Bundesrat damit, die gesetzliche Grundlage für eine Investitionsprüfung zu erarbeiten. Am 18. Mai 2022 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Investitionsprüfungsgesetz ("IPG"). Seit dem 9. September 2022 ist die Vernehmlassung abgeschlossen und die Ergebnisse werden seither ausgewertet. Was bedeutet die Einführung eines IPG für den Wirtschaftsstandort Schweiz und wird die Schweiz an Standortattraktivität einbüssen?

Gründe für die Forderungen nach einem IPG

Übernahmen Schweizer Unternehmen durch ausländische Investoren machen immer wieder Schlagzeilen - Beispiele sind etwa die Übernahme der Gategroup durch die Texas Pacific Group im Jahre 2001 (Übernahmen durch die Merrill Lynch und schliesslich durch die chinesische HNA Group folgten) oder der Syngenta durch die ChemChina im Jahre 2017. Jüngstes Beispiel ist die CHF 1.5 Milliarden Beteiligung der Saudi National Bank an der Credit Suisse.

Im Gegensatz zu anderen investitionsstarken Staaten (wie etwa EU, die USA, Grossbritannien, Indien, China), kennt die Schweiz noch keine Investitionsprüfung. Das schürt Ängste, dass der Schweiz durch die steigenden ausländischen Beteiligungen Know-How und Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Der hohe Anteil an Investitionen aus Schwellenländern und Ländern mit tieferen Standards bezüglich Environmental Social Governance bringt zusätzliche Unsicherheit, wenn sich das Entscheidungszentrum über ein Schweizer Unternehmen ins Ausland verlagert. Schliesslich wird von den Befürwortern eines IPG ins Feld geführt, dass die Ursprungsländer, aus denen ein gewichtiger Anteil an Investitionen in die Schweiz stammen, Schweizer Investoren keine Reziprozität gewähren und ihre eigenen Unternehmen vor Schweizer Übernahmen schützen.

Was sieht der Entwurf des IPG vor?

Das IPG soll gemäss Artikel 1 des Entwurfs ausländische Übernahmen verhindern, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in der Schweiz gefährden oder bedrohen. Der Entwurf sieht in zwei Fällen eine Genehmigungspflicht vor: erstens bei Investitionen durch ausländische Staaten oder staatsnahen Akteuren, zweitens bei Übernahmen von Unternehmen in besonders kritischen Bereichen (etwa im Rüstungs-, Energie-, Transport- oder Gesundheitssektor). Nicht der Genehmigungspflicht unterliegen Übernahmen von Unternehmen unter gewissen Schwellenwerten (weniger als 50 Vollzeitstellen oder weniger als CHF 10 Millionen Jahresumsatz). Im Falle einer Genehmigungspflicht entscheidet das SECO mit mitinteressierten Verwaltungseinheiten darüber, ob eine Genehmigung direkt erteilt werden kann oder ob ein Prüfverfahren eingeleitet werden muss. Im Falle eines Prüfverfahrens entscheidet das SECO mit mitinteressierten Verwaltungseinheiten nach Anhörung des Nachrichtendienstes über die Genehmigung. Besteht Uneinigkeit oder wird die Genehmigung nicht erteilt, liegt der letzte Entscheid beim Bundesrat.

Was spricht gegen ein IPG?

Sowohl der Bundesrat als auch Stimmen aus der Wirtschaft sprechen sich gegen die Einführung der Investitionsprüfung aus und argumentieren, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei einer Investitionsprüfung nicht stimme. Ferner sei zu bedenken, dass bereits Instrumente bestehen, die ungewollte Unternehmensübernahmen aus dem Ausland verhindern können. So befinden für die Sicherheit und öffentliche Ordnung wichtige Unternehmen in staatlicher Hand oder sind spezialgesetzlich geschützt. Auch das Wettbewerbsrecht und die Fusionskontrolle wirken regulierend.

Ausblick

Es wird sich zeigen, wie ein IPG mit der verfassungsrechtlichen Handels- und Wirtschaftsfreiheit vereinbar ist und ob eine Investitionsprüfung genügend bestimmt formuliert werden kann, um Rechtsunsicherheit und Verzögerungen in grenzüberschreitenden M&A Prozessen zu verhindern. Schweizer Unternehmen sollten die Entwicklungen rund um das IPG im Auge behalten und sich vor mittel- und langfristig geplanten Übernahmen aus dem Ausland vergewissern, ob sie unter den Geltungsbereich des IPG fallen.