Per Livestream in den Gerichtssaal
Bald können in den Schweizer Zivilgerichten Verhandlungen per Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden – mit Folgen für den Datenschutz.
Per Livestream in den Gerichtssaal
Während der Corona-Pandemie erliess der Bundesrat befristete Reglungen zum Einsatz von Video- und Telefonkonferenzen in Zivilverfahren erlassen, die Ende 2022 ausgelaufen sind. Doch nun kommt die damalige Notlösung dauerhaft zurück. In der revidierten Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), die am 1. Januar 2025 in Kraft treten wird, steht, dass mündliche Prozesse in Zivilverfahren künftig auch mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden können.
Was im Büro schon lange Alltag ist, hat nun auch die Justiz erreicht. Ab nächstem Jahr können Kläger, Beklagte und Zuschauer Gerichtsverhandlungen per Livestream verfolgen. Dafür müssen bestimmte technische Voraussetzungen sowie Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit erfüllt sein.
Diese hat der Bundesrat am 16. Oktober 2024 im definitiven Text der Verordnung verankert und dabei – im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf – die Anforderungen verschärft. Die Verordnung wird ebenfalls am 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt.
Log-in nur mit Anmeldung
Für eine virtuelle Gerichtsverhandlung sind zwei Varianten vorgesehen: Das Gericht kann entweder die Prozesshandlungen mit dem Einverständnis der Parteien für alle Verfahrensbeteiligten mit elektronischen Mitteln durchführen. In diesem Fall nehmen sie per Video- oder Telefonkonferenz an der Verhandlung teil. Dasselbe Recht gilt auch für die Gerichtsbesetzung. Alternativ dazu wird die Möglichkeit hybrider Konferenzen geschaffen. In diesem Fall findet die eigentliche Verhandlung wie bis anhin im Gerichtssaal statt, jedoch können am Verfahren beteiligte Personen online zugeschaltet werden.
Sofern keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen, kann das Gericht künftig Zeugeneinvernahmen oder Parteibefragungen mittels Livestream durchführen – auch ohne Antrag oder Zustimmung der Parteien. Befindet sich ein Zeuge oder eine Partei im Ausland, haben die Gerichte weiterhin die Gebietshoheit zu beachten. Vorladungen ins Ausland und Beweisaufnahmen im Ausland müssen auf dem Rechtshilfeweg erfolgen.
In der Schweiz besteht grundsätzlich ein verfassungsmässiges Recht auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung. Sprechen keine gewichtigen Geheimhaltungs- oder Persönlichkeitsinteressen gegen eine Verhandlung vor dem Publikum, bedeutet das, dass jede Person einer Gerichtsverhandlung als Zuschauer beiwohnen kann.
Dass Gerichtsverhandlungen künftig nicht nur öffentlich sind, sondern unbeschränkt und unlimitiert via Livestream verbreitet werden, wirft allerdings datenschutzrechtliche und sicherheitspolitische Fragen auf. Wie kann verhindert werden, dass schweizerische Gerichtsverhandlungen zu Spionagezwecken oder für kriminelle Handlungen missbraucht werden? Eine Vorsichtsmassnahme besteht darin, dass sich interessierte Zuschauer mindestens drei Tage im Voraus beim Gericht anmelden müssen. Spätestens einen Arbeitstag vor der Prozesshandlung erhalten die angemeldeten Personen die erforderlichen Login-Daten. Den Verfahrensbeteiligten und Zuschauern ist es verboten, weiteren Dritten den Zugang zu ermöglichen oder die Gerichtsverhandlung aufzunehmen. Die Aufzeichnung der Verhandlung obliegt einzig dem Gericht oder von diesem beauftragten Dritten.
Ein weit gefasster Begriff
Der Datenschutz soll die Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte Betroffener schützen, wenn Daten über sie bearbeitet werden. «Bearbeitet» ist deshalb ein weit gefasster Begriff, der jeden Umgang mit Personendaten betrifft: speichern, beschaffen, aufbewahren, verwenden, verändern, bekanntgeben, archivieren oder vernichten. Die Datensicherheit schützt Personendaten durch ausreichende technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Eindringen und Bearbeiten, gemeinhin Hacking genannt.
Um die Sicherheit der Datenverarbeitung zu garantieren, müssen sich die Server, über die der Livestream aus dem Gerichtssaal realisiert werden soll, in der Schweiz oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befinden. Die Übertragung muss zudem während des gesamten Übertragungsvorgangs verschlüsselt erfolgen. Die Infrastruktur und Software darf ausschliesslich dem Gericht zur Verfügung stehen.
So sollen sowohl das Öffentlichkeitsprinzip als auch die Datensicherheit gewahrt bleiben.