2 Die Wettbewerbs­kommission braucht Stärkung | Prager Dreifuss
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Thema: Competition & Regulatory Matters
Zeitung: NZZ
Lesezeit: 3 Min
16.09.2025

Die Wettbewerbs­kommission braucht Stärkung

Der Reformvorschlag zum Bussenregime behebt einen zentralen Mangel nicht

Seit die Wettbewerbskommission (WEKO) umsatzabhängige Bussen verhängen kann, reisst die Diskussion über ihre Struktur nicht ab. Kritiker bemängeln insbesondere die fehlende Trennung zwischen dem WEKO-Sekretariat, das die Untersuchungen durchführt und die Anträge auf Sanktionierung der fehlbaren Unternehmen stellt, und der WEKO, die das erstinstanzliche Urteil fällt. Diese fehlende Trennung zeigt sich darin, dass das WEKO-Sekretariat Untersuchungen nur im Einvernehmen mit dem Präsidium eröffnen kann und auch für den Erlass verfahrensleitender Verfügung stets auf das Präsidium zurückgreifen muss.

Elementarer Interessenkonflikt

Das Sekretariat nimmt zudem im erstinstanzlichen Verfahren sowohl die Rolle des Anklägers als auch die Rolle des Gerichtsschreibers und Beraters der WEKO ein. Besonders heikel: Nach der mündlichen Anhörung der betroffenen Unternehmen berät die WEKO unter Ausschluss der Parteien – allerdings in Anwesenheit jener Sekretariatsmitarbeitenden, die die Untersuchung geführt und den Antrag gestellt haben.

Verstösse gegen das Kartellgesetz sollen und müssen geahndet werden, das steht ausser Frage. Dem gegenwärtigen System ist allerdings ein fundamentaler Interessenkonflikt inhärent. Die die WEKO beratenden Sekretariatsmitarbeitenden haben sich meist über mehrere Jahre in den Sachverhalt und die umfangreichen Akten eingearbeitet und den Antrag an die WEKO geschrieben. Rund zwei Monate vor der mündlichen Anhörung erhält die WEKO, eine Milizbehörde, die gesamten Verfahrensakten, womit die Verfahrenshoheit an sie übergeht und die Rolle des Sekretariats vom Ankläger zum Gerichtsschreiber wechselt.

Es ist offensichtlich, dass in dieser Konstellation zwischen dem Sekretariat und der WEKO ein Wissensgefälle und damit faktisch ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass das Sekretariat allfällige Fragen der WEKO im Rahmen von deren Entscheidberatung neutral beantwortet. Die Beurteilung des Sachverhalts durch ein unabhängiges Gericht findet somit erst in zweiter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, sofern das verurteilte Unternehmen Beschwerde einlegt. Dort findet sich das angeschuldigte Unternehmen aber in der ungleich schwereren Klägerrolle.

Der Entwurf sieht eine etwas stärkere Trennung zwischen dem Sekretariat und der WEKO vor. So soll die WEKO erst beim Entscheid in das Verfahren einbezogen werden, indem die Mitwirkungspflichten des Präsidiums in der Untersuchungsphase (mit Ausnahme der Anordnung vorsorglicher Massnahmen) abgeschafft werden. Damit, so die Hoffnung, werde eine Vorbefassung der einbezogenen Präsidiumsmitglieder und damit ein möglicher «confirmation bias» in der Entscheidphase verhindert. Weiter soll die WEKO verkleinert und mit unabhängigen Sachverständigen fachlich gestärkt werden.

Gerade in der Entscheidphase erfolgt die Trennung von Ankläger und Richter indessen nicht: Zwar soll im Kartellgesetz die Rolle des Sekretariats dahingehend geregelt werden, dass dieses anlässlich der Anhörung lediglich Fragen der WEKO beantworten, nicht aber vor der WEKO bei Abwesenheit der Parteien plädieren darf.

Nach wie vor soll also die WEKO, die eine Milizbehörde bleiben soll, in der Entscheidberatung auf das Wissen und die Sachkunde des anklageerhebenden Sekretariats zurückgreifen, ohne dass die Verfahrensparteien je Kenntnis davon erhalten, wie die Entscheidberatung abläuft. Der dem gegenwärtigen System inhärente Mangel wird mit dem Vernehmlassungsentwurf nicht behoben. Bereits erstinstanzlich müsste eine noch konsequentere Trennung zwischen Untersuchung und Entscheid erfolgen.

Intransparenz beseitigen

Zur Verbesserung der derzeit unbefriedigenden und rechtsstaatlich bedenklichen Situation sollten ergänzend mindestens die mündliche Anhörung der Parteien gestärkt und die Intransparenz bei der Entscheidberatung beseitigt werden. Die Anhörung ist der einzige Moment im erstinstanzlichen Verfahren, wo die angeschuldigten Unternehmen der Entscheidbehörde die Sachlage aus ihrer Optik unmittelbar darlegen können. Heute bleiben einem angeschuldigten Unternehmen rund 20 Minuten Zeit für eine mündliche Darstellung.

Obwohl bereits heute vorgesehen ist, dass die Mitglieder der WEKO den Parteien Verständnisfragen zum Plädoyer stellen können, wird dieses in der Regel bloss zur Kenntnis genommen. Das Verfahren ist heute somit im Wesentlichen als Aktenverfahren ausgestaltet. Angesichts der Sanktionsbefugnisse der WEKO müsste das Unmittelbarkeitsprinzip bereits erstinstanzlich geschärft werden.

Dazu und damit die WEKO wirklich unabhängig entscheiden kann, benötigt sie zusätzlich vom Sekretariat unabhängige Ressourcen, um sie zu beraten und die Redaktion des Entscheids durch das Sekretariat zu überwachen. Keinesfalls darf es zwischen dem Sekretariat und der WEKO unter Ausschluss der Parteien im Rahmen der Entscheidberatung zu einem Austausch kommen.

Gemeinsam mit der vorgeschlagenen Stärkung des Bundesverwaltungsgerichts durch nebenamtliche Richter mit kartellrechtlichen Kenntnissen könnte so bereits eine markante Verbesserung des Verfahrens erreicht werden. Klar ist, so wie heute kann es nicht weitergehen.