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Thema: Dispute Resolution , Insurance & Reinsurance
Autor: Mike Abegg , Loris Urwyler
Zeitung: NZZ
Lesezeit: 3 Min
09.12.2025

Unternehmen und Führungskräfte wegen Klimawandel vor Gericht

Klimaklagen werden zum globalen Trend, doch führen sie auch zum Erfolg?

Loris Urwyler
NZZ
09.12.2025

Der Kampf gegen den Klimawandel nimmt vielfältige Formen an: Aktivisten kleben sich auf Strassen oder bringen Flughäfen zum Stillstand. ETH-Forscher entwickeln innovative Methoden, um CO2 aus der Luft zu extrahieren. Immer öfter wird auch der Weg vor die Gerichte gesucht, um vermeintliche Klimasünder zur Rechenschaft zu ziehen.

Weltweit sind bereits über dreitausend Klimaklagen eingegangen und es werden jedes Jahr mehr. Sie richten sich längst nicht mehr nur gegen Staaten, sondern zunehmend gegen Unternehmen oder deren Führungskräfte.

Unterschiedliche Forderungen

Mit Klimaklagen gegen Unternehmen werden häufig CO2-Emissionsreduktionen verlangt. So fordern Umweltschutzorganisationen in den Niederlanden vom Gas- und Ölkonzern Shell die Senkung seiner CO?-Emissionen um 45 Prozent bis 2030 gegenüber dem Jahr 2019. Das erstinstanzliche Gericht hiess die Klage gut, da Shell menschenrechtlich zur Reduktion der CO?-Emissionen verpflichtet sei. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil jedoch wieder auf, da es an einer gesetzlich statuierten CO2-Reduktionspflicht fehle und eine solche auch nicht aus einer deliktsrechtlichen Generalklausel im niederländischen Recht ableitbar sei. Derzeit befasst sich das höchste Gericht der Niederlande mit dem Fall – das gleiche Gericht, welches 2019 den niederländischen Staat zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen verurteilt hat.

Aber auch andere Forderungen werden geltend gemacht. Dies zeigt die beim Kantonsgericht Zug hängige Klage von vier indonesischen Staatsbürgern gegen den Zementkonzern Holcim. Zusätzlich zu einer CO?-Reduktion werden in diesem Prozess Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche sowie eine finanzielle Beteiligung an Flutschutzmassnahmen – wie beispielsweise die Anlegung von Mangrovenwäldern und Dämmen – gefordert. Demnächst entscheidet das Gericht, ob es überhaupt auf die Klage eintritt.

Ähnlich dem Holcim-Fall forderte in Deutschland ein peruanischer Landwirt, dass der Energiekonzern RWE, gemessen an seinem Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen, die Kosten für geeignete Massnahmen zum Schutz seines Eigentums vor einer Gletscherflut zu tragen habe. Im Mai dieses Jahres wurde diese Klage zweitinstanzlich abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Führungskräfte müssen sich immer häufiger gegen den Vorwurf wehren, dass sie ihre Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt haben, indem sie Klimarisiken unzureichend offengelegt und ungenügende Massnahmen bei deren Management ergriffen haben. Dieses Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Verantwortung und Klimarisiken wird auch in aktuellen Gerichtsverfahren deutlich. In England klagte eine Shell-Aktionärin die Mitglieder des Verwaltungsrates ein. Sie warf dem Verwaltungsrat vor, dass er sich nicht an das Pariser Klimaabkommen gehalten habe. Auch diese Klage war mangels einer nachgewiesenen Pflichtverletzung des Verwaltungsrates erfolgslos.

Anders ist die Lage beim Greenwashing. Unternehmen oder Führungskräfte können Klagen wegen unlauterer Werbung ausgesetzt sein, wenn sie beispielsweise ihre Waren oder Leistungen tatsachenwidrig als CO2- oder gar als klimaneutral bezeichnen. Wer sich zur Umschreibung seiner Produkte solcher Begriffe bedient, kann darauf behaftet werden.

Erfolgsaussichten in der Schweiz

Stand heute sind die Erfolgschancen von Klimaklagen gegen Unternehmen oder Führungskräfte, die von Schweizer Gerichten nach Schweizer Recht zu beurteilen sind, als äusserst gering einzustufen. Mit Bezug auf die CO2-Reduktionsbegehren fehlt es in der Schweiz an einem strikten gesetzlich statuierten Verbot, über ein bestimmtes Mass hinaus CO2 auszustossen.

Was die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen betrifft, mangelt es in der Regel bereits am Kausalzusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoss und dem geltend gemachten Schaden, gleichgültig ob es sich um einen Sachschaden, Ertragsausfälle oder seelische Unbill handelt. Der CO2-Ausstoss eines Unternehmens ist ein von solchen Schäden viel zu weit entfernt liegendes Glied in der Kausalkette, um eine Haftung zu begründen. Die Klimakläger müssten auch nachweisen, dass genau das Extremwetterereignis, welches den Schaden verursacht hat, auf den CO2-Ausstoss des Beklagten zurückzuführen ist. Diese Hürde ist regelmässig zu hoch.

Demgegenüber haben Greenwashing-Klagen ein grosses Potenzial. Viele Unternehmer sind sich nicht bewusst, dass am 1. Januar dieses Jahres eine neue Bestimmung im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft getreten ist. Dieser zufolge handeln Greenwasher unlauter und können zivil- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Unternehmen sind daher gut beraten, rechtlich zu prüfen, ob ihre Produkte oder deren Verbrauch als CO2- oder klimaneutral bezeichnet werden können.

Versicherer in der Pflicht?

Wer die Haftung wegen einer Klimaklage auf ein Versicherungsunternehmen abwälzen will, sieht sich hohen Hürden gegenüber. Haftpflichtversicherungen müssen nur dann leisten, wenn alle Elemente des Risikobeschriebs erfüllt sind und keine Ausschlüsse greifen.

CO2-Reduktions-, Unterlassungs- und Beseitigungsklagen sind keine Haftpflichtansprüche und werden somit in der Regel nicht gedeckt. Wurde das versicherte Unternehmen oder Organ nicht rechtskräftig zu einer Schadenersatz- oder Genugtuungsleistung verurteilt, besteht gegenüber dem Versicherer auch kein Entschädigungsanspruch. Zudem ist es marktüblich, dass Verpflichtungen, die einen Straf- oder strafähnlichen Charakter haben – wie etwa Geldstrafen oder Bussen – nicht versichert sind. Und bei Greenwashing-Klagen gilt zu beachten, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ansprüche im Zusammenhang mit unlauterem Wettbewerb ausschliessen können.

Klimaklagen führen somit meist nicht zu Entschädigungsleistungen der Haftpflichtversicherer – eine Realität, welche die Klimasünder bei der Einschätzung ihrer Risiken berücksichtigen müssen.